Der Lauscher der aus dem All kam

WDR - Servicezeit:Mobil
Donnerstag, 6. Mai 2010

Zurzeit entscheiden sich viele für die Anschaffung eines Neuwagens. Eine schöne Sache, denn vor Defekten oder gar Reparaturen hat man dann meist einige Jahre Ruhe. Andere aber wollen oder können – auch wegen der Weltwirtschaftskrise – nicht viel ausgeben und suchen, zum Beispiel auf großen Automärkten, nach einem passenden Gefährt. Und das soll dann möglichst nicht viel kosten, aber technisch noch passabel sein. Doch woher weiß man als Laie, ob ein Auto in Ordnung ist? Der obligatorische Blick unter die Motorhaube hilft nur bedingt. Die Beteuerungen des Verkäufers können zwar ehrlich gemeint, aber dennoch falsch sein. Denn auch der Händler ist in der Regel kein Fachmann und weiß vielleicht gar nicht, ob sein Fahrzeug versteckte Mängel hat. Der Käufer eines Gebrauchtwagens könnte also gut eine Entscheidungshilfe gebrauchen. Und die bekommt er jetzt „aus dem All“.

Der Spion, der aus dem All kam

Im All ist der Prozentsatz an Gebrauchtfahrzeugen außerordentlich hoch. Die Spaceshuttles sind in die Jahre gekommen und haben ihre besten Tage längst hinter sich. Doch wie kaum ein anderer Verkehrsteilnehmer müssen sich die Astronauten darauf verlassen können, dass ihre Raumfahrzeuge technisch einwandfrei sind. Es ist „überlebenswichtig“, Schäden rechtzeitig zu erkennen. Gleiches gilt für die Internationale Raumstation ISS. Die Besatzung arbeitet dort monatelang, und das nächste Ersatzteillager ist weit … Daher sind auf den Shuttles und der ISS seit einigen Jahren auch Spione an Bord – Ultraschallspione! Das sind Geräte, die für Sicherheitschecks eingesetzt werden und ein physikalisches Phänomen nutzen. An jedem Leck, aber auch bei Schäden an beweglichen Teilen, wie Lagern oder Motoren, entstehen charakteristische Geräusche, Ultraschallwellen. Das sind Wellen im 40-Kilohertz-Bereich, die das menschliche Ohr nicht wahrnehmen kann. Das eingebaute Spezialmikrofon des Ultraschallspions aber kann es. Es ist so empfindlich, dass – trotz des Umgebungslärms – sogar ein Wimpernschlag hörbar wird. Oder aber ein winziges Loch – zum Beispiel in den Außenwänden der ISS. Noch aus bis zu 100 Metern Entfernung kann der Ultraschallspion (USS) 40-Kilohertz-Wellen aufspüren, die über die Luft übertragen werden. Doch diese Messung ist nicht überall möglich. Außerhalb der ISS oder der Shuttles fehlt die Luft als Überträger. Aber auch dort funktioniert der USS, indem er den sogenannten Körperschall misst. Dabei wird nicht die in Schwingung versetzte Luft erfasst, sondern die Schwingung, die am Gerät selbst entsteht – zum Beispiel an einem Motor. Dazu wird der USS direkt auf den Motorblock aufgesetzt – eine Messung, die noch um einiges genauer ist als die an der Luft.

Der Klang alter Autos

„Was den Astronauten Recht ist, kann uns nur billig sein“, meint Michael Schmutzenhofer, der den Ultraschallspion zum Durchchecken von Autos einsetzt. Als Kfz-Mechaniker und staatlich geprüfter Maschinenbautechniker kennt er sich mit Motoren und Anbauteilen bestens aus. Vor gut vier Jahren hat er damit begonnen, diese Verschleißteile systematisch mit dem Ultraschallspion „abzuhören“. Jeder Autotyp klingt anders. Aber sogar ein- und derselbe Autotyp unterscheidet sich im „Ultraschallklangmuster“, je nachdem, ob er 40.000, 80.000 oder 120.000 Kilometer gelaufen ist. Über 4.000 Automarken hat Schmutzenhofer in den letzten Jahren untersucht, die Messdaten mit einem Pocket-PC aufgezeichnet und anschließend in einer Datenbank gespeichert. Bis auf einige russische und asiatische Typen sind alle Modelle vertreten, die auf dem deutschen Gebrauchtwagenmarkt angeboten werden. Erfasst hat er bei allen Autos die Messergebnisse von: * Motor * Getriebe * Lichtmaschine * Wasserpumpe (falls man von außen drankommt) * Turbolader (falls vorhanden) * Einspritzdüsen * Servolenkungspumpe Die Datenbank ist inzwischen zum Patent angemeldet und wird ständig mit Daten weiterer Modelle ergänzt.

Mit dem Spion auf Schnäppchenjagd

Jeder, der im Besitz eines Ultraschallspions ist (circa 9.500 Euro Anschaffungspreis inklusive 20 Gratisprüfungen) kann gegen Gebühr auf die Datenbank zugreifen. Sie steht im Internet und ist daher praktisch überall verfügbar. Kaufen muss der Anwender dann ein Passwort für eine bestimmte Anzahl von Zugriffen. Es gibt verschieden große „Pakete“ (50, 100, 1.000, 3.000, 5.000 Zugriffe) – je größer das Paket, desto günstiger wird die Einzelprüfung. Eine speziell für den Autocheck geschriebene Software vergleicht dann die neuen Messungen mit der Datenbank und ein Ausdruck zeigt wenige Minuten später, wie stark die untersuchten Autoteile verschlissen sind – natürlich unter Berücksichtigung des Kilometerstandes. Aber auch, wer keinen eigenen Ultraschallspion besitzt, kann sein Auto mit dem USS überprüfen lassen. Ein Komplettcheck kostet ab 45 Euro, wenn der Kunde zum Anbieter des USS-Checks fährt, und ab 75 Euro, wenn der Anbieter zum Kunden fährt (Preis gilt im Umkreis von 30 Kilometern!). Bisher wird dieser Service in Augsburg und Bramsche angeboten. Köln soll als Nächstes folgen und dann – so plant Michael Schmutzenhofer – nach und nach alle größeren deutschen Städte. Beim Gebrauchtwagenkauf kann der Ultraschallspion in verschiedener Hinsicht eine Entscheidungshilfe sein. Er kann zum Beispiel einen Motorverschleiß aufzeigen, der deutlich höher ist, als der Tachostand vermuten lässt. Das kann, muss aber nicht zwangsläufig bedeuten, dass der Tacho „frisiert“ wurde: Wer ständig mit dem Bleifuß durch die Gegend rast, lässt seinen Motor deutlich früher altern. Umgekehrt gibt es Fahrer, die ihren Motor nie hochtourig fahren, immer frühzeitig in den höheren Gang wechseln und die 120-Stundenkilometer-Grenze nie überschreiten. Solche Motoren zeigen natürlich im Vergleich geradezu jugendliche Werte. Und wer solch ein Auto auf dem Gebrauchtwagenmarkt ergattern kann, hat ein richtiges Schnäppchen gemacht …

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